Die Bundespräsidentschaftswahl hielt Österreich das gesamte Jahr 2016 in Atem. Dennoch sind die weitreichenden Machtkompetenzen des österreichischen Staatsoberhauptes vielen WählerInnen unbekannt. Was darf der/die Präsident/in eigentlich?
Viele Österreicherinnen und Österreicher halten den Bundespräsidenten (bisher hatte noch nie eine Frau das höchste Amt im Staat inne) für einen (älteren) Herren, der das Land auf internationalem Parkett vertritt und einmal im Jahr eine Ansprache zur Lage der Nation hält. Das liegt im Wesentlichen am traditionellen Kompetenzverzicht aller Bundespräsidenten der Zweiten Republik.
Allerdings „darf“ das Staatsoberhaupt gemäß der österreichischen Bundesverfassung viel mehr (die Erweiterung der Kompetenzen des Präsidenten in der Verfassung von 1929 haben wir dem Druck der Heimwehren zu „verdanken“). So ernennt es alle Persönlichkeiten von Kompetenz in der Republik: RichterInnen, ProfessorInnen, BeamtInnen, die Mitglieder von Rechnungshof, Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof und der Volksanwaltschaft. Natürlich auf Vorschlag der Bundesregierung. Aber diese kann der Präsident gemäß Artikel 70 B-VG en bloc entlassen.
Auch den Bundeskanzler/ die Bundeskanzlerin kann das österreichische Staatsoberhaupt entlassen, wenn es das für notwendig erachtet. Diese/r könnte nach Gutdünken des Staatsoberhauptes ersetzt werden. Der neue Kanzler/ die neue Kanzlerin wiederum kann dem Präsidenten/ der Präsidentin Regierungsmitglieder zur Entlassung und neue zur Ernennung vorschlagen. Im Grunde können Bundespräsident/in und Kanzler/in also gemeinsam die gesamte Bundesregierung austauschen. Natürlich nur gesetzt den Fall, diese neu zusammengesetzte Bundesregierung hätte die Mehrheit im Nationalrat – denn sonst würde dieser vermutlich ein Misstrauensvotum einbringen. Sollte der Nationalrat aber zu lästig werden, hat die Bundesregierung immer noch die Möglichkeit, dem Präsidenten die Auflösung des Nationalrates vorzuschlagen – was das Staatsoberhaupt gemäß seiner Kompetenzen auch darf.
Dieser Wahlsonntag ist noch gut ausgegangen. Aber es ist an der Zeit, dieses machtvolle Amt zu reformieren und die Macht des Parlaments gegenüber dem Staatsoberhaupt zu stärken.